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    „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ sollte nicht bloß ein Benefit in der Stellenanzeige sein

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    „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ sollte nicht bloß ein Benefit in der Stellenanzeige sein

    Seit knapp 1,5 Jahren stecken wir nun – mehr oder minder stark betroffen – in der Corona-Pandemie.

Und ein Ende ist zumindest aktuell noch nicht so recht in Sicht – im Gegenteil: die Urlaubsreifen unter uns hoffen darauf, dass der Urlaub im Spätsommer noch wie geplant stattfinden kann und den Eltern unter uns schwant schon, dass auch dieser Herbst wieder ein Balanceakt aus Homeschooling/Kinderbetreuung und Arbeit werden könnte.

Auch dieser Spagat wird – so wie die vergangenen Monate auch – nur möglich sein, wenn Unternehmen räumlich und zeitlich flexible Arbeiten ermöglichen. Wenn Eltern eben auch mal zwei Stunden Homeschooling zwischen den Videokonferenzen einschieben können, wenn Vormittage auch mal freigehalten werden können und die liegengebliebene Arbeit dann am späteren Abend erledigt werden darf. Wenn individuelle familiäre Herausforderungen vom Team und vom Unternehmen akzeptiert und willkommen geheißen werden. So wie es – hoffentlich – in den vergangenen 16 Monaten auch der Fall war.

So sehr ich uns allen wünsche, dass die Schulen gut auf einen Corona-Herbst vorbereitet sind, dass Eltern mit planmäßiger Kinderbetreuung rechnen können und nicht jede Woche aufs Neue jonglieren müssen, so sehr wünsche ich mir vor allen Dingen, dass Unternehmen erkannt haben, wie essenziell flexible Arbeitsmodelle sind, damit Mitarbeiter:innen ihren Beruf mit ihren familiären Anforderungen unter einen Hut bekommen können.

Ich traue es mich kaum zu sagen…

…aber ein kleiner Teil in mir ist durchaus dankbar dafür, dass wir gemeinsam mit vielen anderen Unternehmen gezwungen wurden, diese Erfahrungen in rasanter Geschwindigkeit zu machen. Vermutlich wären wir sonst nach wie vor an dem Punkt, dass räumlich und zeitlich flexibles Arbeiten eher die geduldete Ausnahme darstellt, so wie es vor Corona in den meisten Unternehmen der Fall war.

Unternehmen, die nun nur darauf warten, dass endlich wieder alle Teammitglieder zu 100% zur Kernarbeitszeit im Büro anwesend sind, vertun eine riesige Chance:

Nicht nur, dass ihre Attraktivität als Arbeitgeber vor allem bei Nachwuchskräften leiden wird und gut qualifizierte Mitarbeiter:innen in Anbetracht der Alternativen (jene Unternehmen, die eben nicht wieder zur vollen Präsenzkultur zurückkehren) schwer zu halten sein werden. Vor allem aber in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Privatem, werden diese Arbeitgeber an Attraktivität einbüßen.

Bitte nicht wieder zurück!

Wir haben jetzt alle gelernt, wie flexibles Arbeiten – zumindest in vielen Büro-Berufen – funktionieren kann. Dass wir Verständnis dafür aufbringen können, wenn das Kind bei der Videokonferenz durchs Bild läuft oder der Kollege beim Spätnachmittags-Meeting wegen Kinderbetreuung eben nicht teilnehmen kann und sich für andere Meetingzeiten einsetzt. Dass einige Kolleg:innen tagsüber rückenfrei arbeiten und dafür abends abschalten möchten, und andere Teammitglieder wiederum am Abend ihre Arbeit nachholen, weil es ihnen tagsüber eben nur teilweise möglich war.

Diese Individualität wertzuschätzen und sie als wesentlichen Teil der neuen Arbeitswelt anzuerkennen, wäre so zentral wichtig für ein familienfreundliches Arbeitsumfeld. „One-size-fits-all“-Lösungen sind in der neuen Arbeitswelt einfach nicht mehr zeitgemäß und werden den unterschiedlichen Lebensphasen, Zielgruppen und Bedürfnissen der Einzelnen nicht im Ansatz gerecht. Arbeitszeitgesetze, die immer noch an einem klassischen 8-Stunden-Tag und einer 5-Tage-Woche ausgerichtet sind, tragen ihr Übriges dazu bei – der gesetzliche Rahmen selbst ist unflexibel genug, da sollten Unternehmen den Spielraum den sie haben ausnutzen.

Flexibilität erfordert Eigenverantwortung

Das Gebot für eine Wirtschaftswelt von morgen heißt also „Flexibilität und Individualität“. Die flexiblere Gestaltung des eigenen Arbeitsmodus kann ein echter Gewinn sein für Unternehmen, Arbeitnehmer:innen und Gesellschaft.

Dabei heißt Flexibilität im Übrigen nicht, dass jeder tut, was er/sie will und es keinerlei Vereinbarungen oder Regeln bräuchte – sondern, dass der Spielraum größer und im besten Falle einfacher nutzbar wird.

Und wenn der Spielraum größer wird und es eben nicht selbstverständlich ist, dass alle, die beruflich erfolgreich sein wollen, von 9-17 Uhr 8-18 Uhr im Büro sitzen müssen, dann braucht es zwangläufig zwei Dinge:

1. Eigenverantwortung

Wenn wir mehr Freiheit haben, unsere Arbeit selbst einzuteilen, dann braucht es auch mehr Verantwortung für sich selbst: Wir müssen selbstverantwortlich fürs eigene „Abschalten“ sorgen, denn auch das braucht es, um gesund und nachhaltig arbeiten zu können. Gerade, wenn es dank Laptop & Smartphone möglich ist, sich zu jeder Tages- und Nachtzeit mit den Firmengeschehnissen zu beschäftigen, liegt es in der Verantwortung des Einzelnen, sich bewusst (mentale) Auszeiten zu verordnen.

2. Kommunikation

Wenn Menschen innerhalb eines Teams ihre Arbeit unterschiedlich und individuell gestalten, dann muss die Teamarbeit natürlich trotzdem weiterhin gut funktionieren. Es reicht dafür nicht aus, dass jede:r die Unterschiedlichkeiten im Team anerkennen und wertschätzen kann, mindestens genauso wichtig ist die klare und immer wieder geführte Kommunikation im Team über Erwartungshaltungen und Anforderungen von Kunden, Unternehmen und Teammitgliedern. Beispiel: Wenn ich am Wochenende arbeite und Mails schicke, weil ich mir unter der Woche dafür Familienzeit nehme – dann ist es wichtig, dass meine Kolleg:innen das einsortieren können und wissen, welche Erwartungshaltung ich daraus an andere ableite.
Flexibilität ist übrigens auch, gemeinsam anzupacken, wenn „die Hütte brennt“ und stattdessen mal mittags Feierabend zu machen, wenn nichts los ist. Und zwar ohne kritische Blicke anderer im Nacken.

Künstliche Einschränkungen wie bspw. „unsere Mailserver verschicken keine Mails nach 20 Uhr“ etc. fallen übrigens unserer Meinung nach nach in die Kategorie „Bevormundung“ und schränken die Flexibilität nun ja doch wieder ein. Da ist es doch irgendwie reifer, Mitarbeiter:innen wie Erwachsene zu behandeln und den Rahmen zu schaffen, dass eben diese Eigenverantwortung möglich und akzeptiert ist.

Und ja, immer wieder darüber explizit zu kommunizieren, das mag anstrengend sein – aber es lohnt sich doch hoffentlich für uns alle:

  • Für das Unternehmen, dem eben nicht die Mitarbeiter weglaufen, sobald die Familiengründung in Sichtweite ist.
  • Für Arbeitnehmer:innen, die entlang ihrer familiären Situation, entlang des eigenen Biorhythmus, produktiv sein können und auch in wechselnden Lebensphasen einen wertvollen Beitrag zum Unternehmen leisten können.

Wenn wir also davon wegkommen wollen,

  • dass der Papa oder die Mama, der/die „nur Teilzeit“ arbeitet, keine Karriere machen, keine Führung oder wichtige Projekte übernehmen darf,
  • dass die relevanten Meetings zu Tageszeiten stattfinden, die bestimmte Mitarbeiter:innen gezwungenermaßen davon ausschließen (ohne, dass sie selbst dafür etwas könnten – beispielsweise wegen Betreuungszeiten)
  • dass berufliche Pausen (egal ob Elternzeit, Pflegezeiten, Trennung, Unfall, oder einfach Auszeit) zu einem Abbruch in der beruflichen Weiterentwicklung führen,

dann sollten wir alle unser Möglichstes tun, für flexiblere Rahmenbedingungen in den Organisationen und damit für mehr Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu sorgen:

An oberster Stelle steht, wie so häufig, Führung durch Vorbild – Führungskräfte setzen den Standard dafür, ob Teilzeitmodelle, Elternzeiten, flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten, etc. im Unternehmen als bereichernd angesehen werden, oder ob „Familienfreundlichkeit“ nur ein Lippenbekenntnis des Arbeitgebers bleibt und beruflicher Erfolg nur möglich ist, wenn andere Lebensbereiche deutlich dahinter zurückstehen.

Sorgt für eine echte Teilzeit-Wertschätzung! Nicht nur für Mütter, die nach der Elternzeit häufig in die Teilzeit starten, sondern auch für alle anderen Kolleg:innen, die sich temporär oder dauerhaft aus welchen Gründen auch immer gegen eine 40-Stunden-Woche entscheiden. Deren Sichtweisen und Bedürfnisse sind eine Bereicherung für Teams und Organisationen.

Begleitet den Aus- und Wiedereinstieg nach Eltern- oder Pflegezeiten aktiv, mit Gesprächen, Weiterqualifizierungsangeboten und einem guten Reboarding®.

Ermöglicht mobiles Arbeiten oder Home-Office – selbstverständlich darf und sollte dies einen Rahmen haben, und natürlich dürfen sich Arbeitgeber bewusst dagegen entscheiden, nun zu einer rein virtuellen Company zu werden, nur weil das während der Pandemie relativ gut funktioniert hat. Aber eine klare Haltung zu räumlicher und zeitlicher Flexibilität führt zu mehr Eigenverantwortung, mehr Produktivität, höherer Mitarbeiterbindung und größerer Arbeitgeberattraktivität.

Unterstützung durch Dienstleister: Ob Kitaausfall, Haushaltshilfe oder Pflegeunterstützung: externe Familiendienste können in Notfällen oder bei kurzfristigen Engpässen unterstützen, und den Mitarbeiter:innen somit den Rücken frei halten, damit sie rückenfreier arbeiten können.

Letztlich ist es wichtig, dass Mitarbeiter:innen und Arbeitgeber sich einig sind, dass Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht nur ein Marketing-Claim für Stellenanzeigen sein sollte, sondern ein zentraler Erfolgsfaktor für Unternehmen der Zukunft ist. In Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels und sich schnell verändernder Anforderungen der Zielgruppen wird es für Unternehmen umso wichtiger, Arbeit flexibler und individueller zu denken. Nur so können sie eigenverantwortlich handelnde, kompetente und zufriedene Mitarbeiter:innen für sich gewinnen und langfristig binden.

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